Chance für Rot-Rot-Grün

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Seit 2005 haben wir ununterbrochen eine CDU geführte Bundesregierung. Vor 16 Jahren begann die erste Amtszeit von Angela Merkel. Damals war ich erst 9 Jahre alt. Abgesehen vom kurzen Höhenflug der SPD unter Martin Schulz stand es nie ernsthaft zur Debatte, dass die Union das Kanzler*innenamt verlieren könne. Doch nun fehlt der Union ihre Erfolgsgarantin Angela Merkel. Seit Armin Laschet Kanzlerkandidat ist, gehen die Umfragewerte der CDU stets bergab. Der Wahlkampf der Union wirkt wie die Suche nach dem schnellsten Weg in die Opposition. Es ist deutlicher denn je erkennbar, dass die Union keinerlei Themen setzen kann. Ihr fehlt es an Inhalten jeglicher Art. Sie erschöpft sich einzig und allein darin das Land zu Verwalten. Und selbst das macht sie seit Jahren in einer katastrophalen Art. Projekte wie die Missglückte Pkw-Maut stellen dabei nur den Gipfel des Eisberges dar. Der sonst schon beinahe als Erbrecht angesehene Anspruch der Union auf das Kanzler*innenamt wird in seinen Grundfesten erschüttert. Für die Union historisch schlechte Umfrageergebnisse von teils unter 20% sprechen eine mehr als deutliche Sprache.

kleine Erinnerung

Der Mautirrsinn

Von den Unionsparteien war geplant eine PKW-Maut einzuführen, welche ausschließlich ausländische Autofahrer*Innen treffen sollte. Hierfür sollten zunächst alle Autofahrer*Innen eine Mautgebühr bezahlen. Deutsche würden jedoch um einen entsprechenden Betrag bei der PKW-Steuer entlastet werden. Dadurch würde die Maut effektiv nur ausländische Fahrer*Innen belasten. Es wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass dieses Vorhaben europarechtswidrig sei. Die Verkehrsminister Alexander Dobrindt und nach ihm Andreas Scheuer leugneten dies jedoch. Selbst das mit der Ausführung der Maut beauftrage Unternehmen bot an, mit dem Abschluss der Verträge bis zu Klärung der Rechtmäßigkeit durch den Europäischen Gerichtshof zu warten. Andreas Scheuer drängte jedoch auf einen schnellen Vertragsschluss. Der EuGH urteilte sodann 2019, wie erwartet, dass die Mautpläne eine unzulässige Diskriminierung ausländischer Autofahrer*Innen darstellen. Durch diese Völlig verfehlte Planung entsteht nun ein Schaden von 500 Millionen bis etwa 1 Milliarde Euro.

Wer Füllt die Lücke?

Durch die Schwäche der Union wird Raum für andere Parteien frei. Zunächst konnten die Grünen vom Umfragetief profitieren. Doch eine zögerliche Wahlkampfstrategie und eine massive neoliberale Kampagne gegen Baerbock zeigen Ihre Wirkung. Die totgesagte SPD nimmt nun Platz Eins in den Umfragen ein.

Noch vor wenigen Wochen wurde Olaf Scholz als Kanzlerkandidat belächelt. Seine Kandidatur schien völlig aussichtslos. Es war schon beinahe peinlich mit anzusehen, dass eine in Richtung der 10% stürzende Partei überhaupt einen Anspruch auf das Kanzler*innenamt erhob. Aber das Versagen der anderen lässt den sonst so blassen Kandidaten Scholz heut strahlen.

Mögliche Koalitionen

Angenommen die heutigen Umfrageergebnisse unterscheiden sich nicht deutlich vom Wahlergebnis in 14 Tagen. Dann wären zwei Regierungskoalitionen denkbar. Zum einen die Ampel, also eine SPD geführte Koalitionen mit den Grünen und Christian Lindner. Zum anderen der Schrecken aller Konservativen und Neoliberalen: Rot-Rot-Grün, SPD, Grüne und LINKE.

Rot-Rot-Grün

Für die einen der drohende Untergang des Abendlandes. Für mich die größte Hoffnung auf einen Wandel zu einer solidarischen klimaneutralen Gesellschaft. Rot-Rot-Grün könnte der Weg in das Land sein, wo Sojamilch und Agavendicksaft fließen. Das ist leider etwas übertrieben. Aber eine progressivere Koalition in aktuell nicht denkbar. In allen anderen Möglichkeiten wäre entweder die FDP oder die Union der Klotz am Bein der Regierung.

Eine Rot-Rot-Grüne Koalition erscheint auch auf dem Papier sehr naheliegend. So gibt es programmatisch ein enormes Potential. Viele Übereinstimmungen und ähnliche Konzepte sind in den Wahlprogrammen und Äußerungen erkennbar.

Es sieht also zunächst ganz einfach aus. Als könne in sozialen Fragen die inzwischen festgerostete Bremse gelöst und auch in klimapolitischen Fragen endlich etwas in Gang gesetzt geworden.

  • Mindestlohn >12 Euro
  • Vermögenssteuer
  • Reform der Krankenversicherung
  • Ersatz des menschenverachtenden Hartz-IV-Systems
  • Konsequenter Klimaschutz

Die Ampel

Ein Blick auf die andere Option, die Ampel, zeigt schnell, dass eben aufgezählte nicht umsetzbar wäre. Das Dogma der wirtschaftsliberalen von der FDP, dass ein deregulierter Markt die Lösung aller Probleme sei, steht im Widerspruch zu den Grundsatzprogrammen von SPD, Grünen und LINKEN. So ist die FDP der Ansicht, dass der Staat nur in Ausnahmefällen lenkend in das Marktgeschehen eingreifen solle.

Daraus folgt, dass ein höherer, vor Armut schützender Mindestlohn, das Stärken der gesetzlichen Krankenversicherung und strenge, zielgenaue Vorgaben zum Klimaschutz mit der FDP nicht denkbar sind. Eben alle Maßnahmen, welcher die Ausbeutung von Menschen und Natur verhindern. Das Staatsverständnis der FDP ist ein grundlegend anderes als von SPD, Grünen und LINKEN.

Wie hältst du`s mit der Nato?

Dennoch stellen und Grüne und SPD den einen ernsthaft trennenden Punkt in den Vordergrund: die Sicherheits-, bzw. Kriegspolitik. So erwartet Olaf Scholz ein Bekenntnis zur NATO. Wissend, dass er ein solches von der LINKEN nicht erhalten wird. DIE LINKE will die NATO perspektivisch durch ein System kollektiver Sicherheit unter Einbeziehung Russlands ersetzen. Diese Position ist nicht vereinbar mit dem geforderten Bekenntnis zur NATO.

Damit stellt er klar, dass die Ampel seine bevorzugte Koalition ist. Glücklicherweise sitzen am Verhandlungstisch bei Sondierungsgesprächen nicht nur die Kanzlerkandidaten, sondern die Parteispitzen. An dieser Stelle ist in der SPD mit Saskia Esken, Norbert Walter-Borjans und Kevin Kühnert mehr Offenheit zu Rot-Rot-Grün vorhanden. Es könnte doch niemand glaubhaft erklären, dass die Koalition mit den meisten inhaltlichen Überschneidungen, welche Meilensteine in Sozial- und Klimapolitik setzen könnte, an diesem einen Punkt scheitern sollte. Auch aus Sicht der LINKEN wäre es völliger Irrsinn Verhandlungen daran scheitern zu lassen. Die Möglichkeit auszuschlagen, die Situation der Pfandflaschen sammelnden Rentnerin und der maßlos überarbeiteten Pflegekraft zu bessern wäre mehr als töricht.

Wenn Rot-Rot-Grün möglich sein sollte, muss die LINKE als kleinste Partei Abstriche machen. Sofern SPD und Grünen etwas an der Umsetzung ihrer Wahlprogramme liegen, verzichten sie auf dieses überflüssige Bekenntnis zu NATO. Auch für Bundeswehreinsätze im Rahmen der NATO lässt sich eine Lösung finden. Es gibt hierfür auch ohne Zustimmung der LINKEN immer eine Mehrheit im Bundestag, sodass alle Seiten ihre Position gewahrt sehen können.

Nutzt diese Chance!

Wenn nach der Wahl eine Mehrheit für die Koalition aus SPD, Grünen und LINKEN besteht, dann muss diese Chance genutzt werden! Auf Länderebene hat sich diese Koalition bereits mehrfach bewiesen. Es ist endlich Zeit auch auf Bundesebene mit den Vorurteilen gegen Rot-Rot-Grün aufzuräumen. Die funktioniert am besten, wenn sich diese Koalition bildet und zeigt, wie ihre Politik aussehen kann. Sie kann dann zeigen, wie Politik im Interesse der Menschen statt der Konzerne aussieht. Hierfür brauch es jedoch von allen Seiten Kompromissbereitschaft.

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